- Rund um den Lindenplatz in Brettach -

Einen idyllischeren Ort als den Lindenplatz findet man in Brettach kein zweites Mal mehr. Weit genug entfernt vom Ortsdurchgangsverkehr, umsäumt von historischen Toren und Mauern, einem Kinderspielplatz, alten renovierten Häusern und zwei mächtigen Bäumen - einer Kastanie und einer Ulme-, bietet dieser Platz mit der Kirche im Hintergrund ideale Voraussetzungen für Ruhe und Erholung und für Feste.
Es gibt nicht viele Dörfer, wo eine solche Fülle von typischen Kennzeichen des früheren dörflichen Lebens als Ensemble erhalten ist. Es sind dies die Kirche, die Friedhofsmauer mit den beiden Eingängen - dem Haupt- und dem Pesttor-, das Pfarrhaus, die Linde, der Lindenhof mit Umfassungsmauer und Renaissanceportal, eines der beiden Gemeindebackhäuser, Armenhäuschen -gleichzeitig Aufenthaltsraum für den Nachtwächter-, die als heilkräftig geltende Ouelle in einem imposanten Tonnengewölbe und schließlich sogar das alte Gemeindegefängnis, in dem früher die hoffentlich wenigen kleineren Missetäter für kurze Zeit eingesperrt waren.
Es ist nur allzu verständlich, daß Gemeinderat und Verwaltung und der Heimatgeschichtliche Verein Langenbrettach e.V. sehr daran interessiert sind, die ganze Fülle dieser dörflich-historischen Kleinodien zu erhalten.
Der Heimatgeschichtliche Verein hat in den letzten Jahren bei der Ausgrabung und Renovierung von Kirchbrunnan und Gewölbe die Hauptarbeit geleistet und bei der Wiedererrichtung von Kirchhofsmauer und Pesttor beratend mitgewirkt.
Die Gemeinde Langenbrettach wird in den kommenden Jahren im Rahmen der Dorfsanierung im Bereich des Lindenplatzes das Notwendige erneuern und das historisch Gewachsene erhalten.

DER KIRCHBRUNNEN
Der unterirdische Gang

Vor ca 5 Jahren beschloß der Heimatgeschichtliche Verein Langenbrettach e.V. einem alten Brettacher Geheimnis auf den Grund zu gehen. Vorstand und Ausschuß waren sich darin einig zu untersuchen, ob denn tatsächlich ein unterirdischer Gangvom Chanofsky-Schlößle zum Kirchbrunnen führte. Hat Junker Heinrich Chanofsky von Langendorf, Folstmeister zu Neuenstadt, im Jahre 1594 mit dem Bau des Renaissance-Schlößchens einen Fluchtweg graben und einwölben lassen? Diese Frage sollte geklärt werden. Dabei schwang etwas von kindlicher Abenteuerromantik mit. Der Grund? - Alle Brettacher Kinder haben am Brünnle früher schon Wasser getrunken, im Kirchbrunnengewölbe Abenteuer gespielt, z.B. indem sie den Abfluß verstopften,dadurch den Gewölbeboden einige zehn Zentimeter mit Wasser füllten, um dann mit einem selbstgebastelten Floß in See zu stechen. Die Abreibung zu Hause ließ dann für die durchnäßten und verdreckten Höhlenschiffer nicht lange auf sich warten. Vor allem der schmale dunkle Seitengang, der senkrecht vom Hauptgewölbe in Richtung Dorf weist, hat die Fantasie der Brettacher Dorfjugend und der Erwachsenen seit Generationen immer wieder beflügelt: War das der unterirdische Gang zum Schlößle? Die Marschroute des Vereins war klar vorgezeichnet: Licht in das Dunkel bringen, die Eingänge freilegen und - wenn nötig - restaurieren. 

Eine erste Besichtigung zusammen mit BM Schaaf war ernüchternd für uns. Die Gewölbeeingänge waren seit den 60er Jahren zugeschüttet, der Vorplatz eingeebnet und mit Büschen bepflanzt. Zu beiden Seiten versperrten je zwei dicke Luftschutzmauern den Uberblick, Erinnerungsstücke an das tausendjährige Reich. Durch eine schmale Einstiegsluke - manche etwas Leibesumfänglichere zwängten sich mühevoll durch - erreichte die Gruppe den total verschlammten Gewölbekeller. Im Schein der Feuerwehrlampe bot sich ein trostloses Bild. Die Quelle war unter einer 0,5 m dicken Dreck-, Schutt - und Schlammschicht verschüttet, der Seitengang bis zur halben Höhe mit Bauschutt gefüllt, und ein Teil des nördlichen Sandsteingewölbes war wegen des Kreisverkehrs rund um die Linde abgerissen und verschoben. Zu allem Übel stellte sich einige Zeit später dann heraus, daß der Gewölberaum seit der Ortskanalisation in den 60er Jahren sozusagen als Sickerraum diente.Von der Backhausseite her wurden die Oberflächenwässer in das Gewölbe eingeleitet, ohne sie auf der Gegenseite in die Kanalisation abzuleiten. Schon von da her, ohne Berücksichtigung des historischen Werts, war eine Sanierung dringend geboten. Die schweren Fahrzeuge, die am Lindenplatz wendeten, hätten in nicht allzu langer Zeit das völlig durchfeuchtete Gewölbe zum Einsturz gebracht. Niemand wußte bis zu diesem Zeitpunkt, daß der Kirchbrunnen als Sickergrube benutzt wurde. Trotz der Schwierigkeiten beschlossen Gemeinde und Verein diese einmalige historische Stätte in gemeinsamer Arbeit freizulegen und zu restaurieren und damit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zu diesem Zeitpunkt konnte niemand sagen, ob die Quelle wieder zu finden war. 
Nach einem Lokaltermin war das Landesdenkmalamt bereit, die Hälfte der veranschlagten Kosten von DM 37.000,- zu übernehmen.
Im Frühjahr 1986 baggerten Gemeindearbeiter die beiden Eingänge frei. Anschließend entfernte man drei der vier Luftschutzmauern, eine auf der Nordseite mußte auf Grund einer statischen Untersuchung als Stütze für das beschädigte Gewölbe stehenbleiben. Vereinsfreiwillige und Gemeindearbeiter ergänzten sich gegenseitig. Insgesamt wurden ca 15 Lastwagen Schutt und Schlamm abgefahren. Ein großer Teil davon mußte mit Pickel, Spaten und Schaufel ergraben und aus dem Gewölberaum ins Freie gekarrt werden. Der Heimatgeschichtliche Verein erbrachte seit 1986 ca 1200 freiwillige Arbeitsstunden; auch Nichtmitglieder aus der Gemeinde halfen zeitweise mit. Nach anfänglicher Skepsis von Seiten der Bevölkerung - es gab auch Brettacher, die meinten, man solle doch den 17 Meter langen und 5 Meter breiten Raum einfach zuschütten - überwog mit dem Bautortschritt die Zustimmung.
Neben den vielen "kleinen" Arbeiten, vom Vermessen des Geländes und dem Erstellen von Zeichnungen bis hin zum Streichen der Geländer, haben uns vor allem die schweißtreibenden Schindereien und die vielen unvorhergesehenen Arbeiten und die Verzögerungen fast resignieren lassen. Eine Reihe von handwerklichen Fertigkeiten des Hoch- und Tiefbaus waren gefordert. Es mußten z.B. Fundamente unterfangen, die Kanalisation gegraben, Mauern ausgebessert, Tore und Türen gefertigt, Sandsteinplatten verlegt und elektrische Anschlüsse geschaffen werden. Die anstrengendste und schwierigste Arbeit war die Neufassung der Kirchbrunnenquelle. Auf engstem Raum knietief im Wasser und im Schlamm arbeitend, mußten der alte Quellfassungstrog und Sandsteine entfernt und die wasserführende Schicht gesucht werden, ohne daß sich das Wasser, falls wiedergefunden, einen neuen Weg suchte. Als unsere Bemühungen erfolgreich waren und das Quellwasser wieder in den steinsargähnlichen Sandsteintrog lief, der bei der Ausgrabung vor dem Quellengang zutage kam, war der Jubel groß. Wenn es für uns Hobbyrestauratoren allzu schwierig wurde, mußten die Handwerker des Dorfes ran, wie z.B. bei der Errichtung der Stützmauer gegen die Straße und bei den Steinmetzarbeiten. Als schließlich nach zweijähriger Bauzeit unser Projekt "Kirchbrunnen" fast abgeschlossen war, beschlossen Gemeinde und Verein in einer Einweihungsfeier der Bevölkerung unsere Ergebnisse zu zeigen.
Ubrigens, bei aller Freude darüber, daß die Quelle wieder sprudelt, eine Ernüchterung brachte unsere Aktion doch: Einen unterirdischen Gang vom Schlößle zum Kirchbrunnen hat es nie gegeben. Der kleine überwölbte Seitengang über der Quellfassuns hat die romantische Fantasie der Brettacher zu sehr ins Kraut schießen lassen. Keinerlei Indizien deuten darauf hin, daß es nach dem abgemauerten Ende des Seitenganges weiterging.

Geschichte und Bauzeit 

Die am häufigsten gestellte Frage ist die nach dem Alter des  Kirchbrunnens. Leider erfährt man aus dem Gemeinde- und Pfarrarchiv  direkt nicht sehr viel. Unter der Überschrift "Der Kirchbronnen und das  Gewölbe" beschreibt der Chronist Franz Häfelin 1858 den Kirchbrunnen so:  "Ein Theil des Lindenplazes ist überwölbt; unter diesem Gewölba fließt  der sogenannte Kirchbronnen. Die Zeit der Überwölbung des fraglichen  Plazes, ist bis jezt noch unbekannt. In der Beschreibung des Oberamts  Neckarsulm von 1881 steht "Gerade vor dem Eingang zum Kirchhof liegt ein  großes Gewölbe, in welchem der für heilkräftig geltende Kirchbronnen  quillt". Im folgenden wird versucht, eine Beweiskette für die Bauzeit  aufzustellen. Dazu ist es nötig, verschiedene historische Quellen zu  bemühen. Neben den Aufzeichnungen des Franz Häfelin liefert uns vor allem  Pfarrer Artur Klein wichtiges Material. Er verfaßte aus Unterlagen der  Kirchenbücher und aus dem Rathausarchiv 1955 während der  Kirchenrenovierung eine Schrift mit dem Titel "Geschichte der Brettacher  Kirche". Die Untersuchungen von Franz Häfelin und die von Pfarrer Klein  ergeben letztendlich zusammen ein klares Bild über das Alter unseres  Kirchbrunnens. Franz Häfelin kam um 1800 als Ratsschreiber nach  Brettach,verheiratete sich hier, wohnte im Chanofsky-Schlößchen und übte  seine Amtstätigkeit später auch in Cleversulzbach und Neuenstadt aus. In  den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts war er einige Zeit Schultheiß in  Brettach. Wenn wir davon ausgehen, daß früher bei mündlichen  Uberlieferungen die Erinnerungen zwei bis drei Generationen  zurückreichten, dann muß das Kirchbrunnengewölbe auf jeden Fall vor 1680  gebaut worden sein. Baustilvergleiche mit den Kellern im Lindenhof und im  Schlößle weisen in dieselbe Richtung.
Eine genauere Datierungsmöglichkeit ergibt sich aus den Aufzeicrhnungen von Pfarrer Klein. Er stellt folgende geschichtliche Betrachtungen an den Beginn seiner Ausführungen: Brettach ist eine um 500 n.Chr. entstandene alamannische Tochtersiedlung von Odoldinga, einer in der Gegend des heutigen "Gelben Felsens" gelegenen Ansiedlung. Und wörtlich heißt es weiter: "Brettach nahm sehr wahrscheinlich seinen Ausgang von einem Hof bei der heutigen Linde." "Der dazu gehörige Brunnen ist der Lindenbrunnen gewesen". "Es spricht viel dafür, daß der Lindenbrunnen ein alamannisches Quellenheiligtum war. An die Stelle dieses Heiligtums trat zu fränkischer Zeit eine christliche Kapelle". Vermutlich war diese erste christliche Kirche aus Holz gebaut. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, daß in das Kirchbrunnengewölbe noch vor einigen Jahrzehnten zwei Quellen flossen, die jetzt neu gefaßte und eine weitere nahe dem nördlichen Gewölbeausgang. Sie floß in einem Rohr vom Lindenhof herüber. Das Loch in der Sandsteinmauer und die Abflußrinne im Gewölbe sind noch erhalten. "Gegen Ende des 10.Jahrhunderts", schreibt Pfarrer Klein weiter, "wurde durch die Grundherrschaft auch in Brettach eine Kirche erbaut, und zwar gegenüber dem Herrenhof - so war es die Regel - ,auf dem aus dem Tal ansteigenden Gelände, also an der Stelle des oben erwähnten heidnischen Quellenheiligtums". Und weiter unten heißt es: "Viele Kirchen wurden zum Schutz der Bevölkerung als Wehrkirchen angelegt". Der Wehrfriedhof hatte eine 0,9 Meter dicke Mauer, "die ein 8 bis 10 Meter breiter Graben umgab". Aus den Unterlagen des Pfarrarchivs geht hervor, daß um die Wehrkirche mit dem 32 Meter hohen bergfriedähnlichen Turm 23 Gaden von innen an die Kirchhofmauer angebaut waren. Sie dienten als Fruchtlagerhäuschen und hatten kleine gewölbte Keller. Der mächtige Turm mit den Gaden ringsum und der Graben, der im nördlichen Bereich in den Dorfweiher mündete, verstärkten den burgähnlichen Gesamtcharakter. 1573 wurde auf Betreiben der Gadenbesitzer der Friedhof nach Westen erweitert. Die Einwohnerzahl von Brettach war gewachsen. Aus diesem Grund beantragte der Pfarrer "Kirch und Vorhof" erweitern zu dürfen, die "Kirchgedamen abzureißen" und "die Mauer der Kirche zu verrücken". Die Kirche war zu klein geworden. Die zu dicht an der Kirche stehenden Gaden waren einer Erweiterung im Wege. Sie hatten zwar längst ihre Schutzfunktion eingebüßt, aber die Besitzer wollten ihre kleinen Lagerhäuschen nicht aufgeben. Erst als ihnen in Aussicht gestellt wurde, in der neu zu bauenden Kelter Raum zu bekommen, verzichteten sie darauf. Am 10.7.1578 wurde dann die alte Kirche abgebrochen. Man darf annehmen, daß der Bauschutt der Gaden und der Kirche dazu verwendet wurde, den alten Wehrgraben aufzufüllen.Eine dendrochronologische Untersuchung (Altersbestimmung des Holzes) eines Eichenbalkens, der unter dem Fundament des Kirchbrunnengewölbes lag, könnte interessante Aufschlüsse bringen.

Fassen wir zusammen:

Erstens, die "heilige Quelle", die aus heidnischer Zeit übernommen und christianisiert worden war, sprudelte am Grabenrand der Wehrkirche, also außerhalb der Mauer. 
Zweitens, der Eingang zur alten Wehrkirche führte von der Mühlstraße her über eine hohe Treppe an die Südwestecke der alten Kirchhofmauer. 
Drittens, erst um die Zeit als Gaden und Friedhofsmauern versetzt warden waren, wurde der heutige Zugang zur Kirche von der dann so benannten Kirchstraße her geschaffen. Dazu schreibt Pfarrer Klein: "Leider ist nicht mehr festzustellen, wann der heutige Eingang angebracht wurde.1578 bestand er auf jeden Fall schon". Aus diesen drei Punkten können folgende Schlüsse gezogen werden: Die Brettacher wollten mit (nach) der Kirchenerweiterung einen ebenerdigen Zugang zu ihrer Kirche, um nicht mehr die beschwerlichen Stufen von der Mühstraße her erklettern zu müssen. Man befand sich aber in einem Zielkonflikt. Durch bloßes Einebnen des östlichen Wehrgrabens hätte man die als heilkräftig geltende Quelle mit zuschütten müssen. Man kann sich gut vorstellen, daß den Brettachern ihr als heilkräftig geltendes Wasser so viel wert war, um ein Gewölbe darüber zu bauen. Sie hatten damit einen breiten ebenen Zugang zur Kirche und ihre Quelle blieb unversehrt. Vielleicht fällt es manchem etwas schwer, sich die Wertmaßstäbe unserer Vorfahren vorzustellen. Sie haben dem Grundnahrungsmittel und Lebenselixier Wasser viel größere Bedeutung zugemessen als wir heute. Wir dürfen also durchaus fest annehmen, daß 1578 das Kirchbrunnengewölbe bereits bestand, daß es kurze Zeit zuvor gebaut wurde. 
Die Pflanzdaten der Brettacher Linde führen als eine Art zweite Beweiskette zu einem ähnlichen Resultat. Franz Häfelin hat das Alter der verschiedenen Linden zurückverfolgt. Außerdem steht auf einer der beiden Gedenktafeln der Lindenumfassung folgendes: "1566 ward dise Linden gesezt". Aber niemand würde eine Dorflinde an den Abhang eines Wehrgrabens setzen. Daraus kann geschlossen werden, daß die erste Linde an dieser Stelle auf einen ebenen freien Platz gepflanzt wurde.Das heißt aber: die Bauzeit für den neuen Kirchenzugang und die für das Kirchbrunnengewölbe wären um 1566 anzunehmen. Der heutige Kirchhofeingang und das schmiedeeiserne Tor wurden 1844 geschaffen. Diese Jahreszahl ist in die beiden Toreinfassungen eingemeißelt. Die gesamte Neugestaltung von 1844 ist in der Häfelinschen Chronik beschrieben. Auf den südlichen Gewölbeeingang wurde eine schwere Sandsteinmauer gesetzt, nachdem man das Gewölbe noch einmal um ca. 2 Meter erweiterte. Die "Heilige Quelle" begleitet uns durch die ganze Brettacher Geschichte. Das schützend über die Quelle errichtete Gewolbe hat uns einen Teil des Grabens der ehemaligen Wehrkirche erhalten. Der Raum diente im Laufe der Jahrhunderte unter anderem als Remise für landwirtschaftliche Geräte. Er war zuletzt im Zweiten Weltkrieg Luftschutzraum. Im April 1945 fanden viele Anlieger Schutz vor Artilleriegranaten und Brandbomben. Dieses zwar einfache aber für uns Brettacher geschichtlich wertvolle dorfliche Kulturdenkmal ist es wert erhalten zu werden. Gewölbe, Quelle und Fundamente sind jetzt trocken, gesichert und - was wichtig ist - der Bevölkerung nahegebracht.


GADEN

Ein Gaden ist ein Haus (Häuschen) mit nur einem Zimmer. Dessen Bewohner nannte man Häusler. Aber Gaden sind auch Häuschen innerhalb oder auf der Mauer einer Wehrkirche. Das links neben dem Kirchhofeingang erhaltene "Häuslin" mit seinem kleinen Gewölbekeller ist beispielhaft für einen Gaden. Ob dieses Häusle allerdings einer der ursprünglich 23 Wehrkirchengaden ist, darf in Frage gestellt werden. Der Verlauf der Wehrmauer ist an dieser Stelle nicht mehr genau auszumachen. Der Kellereingang müßte auf jeden Fall innerhalb der Mauer und nicht im Wehrgraben liegen. Trotzdem bietet dieses Häuschen ein Bild, wie man sich etwa die 23 Gaden vor 1578 vorzustellen hat. Franz Häfelin schreibt 1858 zu dem Fachwerkhäuschen: "Das an die Kirchhof Mauer angebaute - und zu ebener Erde mit einem kleinen Gewölbe, /so früher als Gefängnis benutzt worden/ versehene sogenannte Armenhäußchen im Brand Cataster mit No. 147 bezeichnet, ist Eigenthum der Gemeinde, wird zur Zeit von Orts Armen bewohnt, und war in früheren Zeiten den Nachtwächtern zum Aufenthalt angewiesen". Dieser Gaden war eines von drei Armenhäusern der Gemeinde. Eigentlich müßte man wegen der früheren vielfältigen, typisch dörflichen Nutzung das kleine Häuschen unter Denkmalschutz stellen. Anzumerken ist, daß es nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 50er Jahre von einem Ehepaar bewohnt war. Die Wohnungsnot im zerstörten Brettach war sehr groß.

PESTTOR

Im Neckarsulmer Heimatbuch von 1928 schreibt Friedrich Krapf "1636 wüteten" in Brettach "Hungersnot und Pest. Damals erhielt das 1613 neu erstellte Tor des Friedhofs den Namen Pesttor". Und weiter heißt es: "Vor dem neuen Kirchhoftor - das alte sogenannte Pesttor aus dem Jahr 1613 ist jetzt zugemauert - steht über einer alten heilkräftigen Quelle dem Kirchbrunnen, eine mit Säulen gestützte Linde". Der Name Pesttor stammt von 1636, als während des 30-jährigen Kriegs in Brettach die Seuche, von Soldaten eingeschleppt, wütete und die Toten unmittelbar hinter dem Tor in Massengräbern beigesetzt wurden. In den Kirchenbüchern von 1613 im Bereich der Buchführung sind zu Kirchhofmauer und Tor unter anderem folgende Eintragungen nachzulesen: "...ist das Theil Kirchmauren gegen Bernhardt Sützlers garten Abzubrechen, den Kirchhof zuerweitern mit einer neuen Mauren wieder uffzuführen. 300 Schuh lang und 14 Schuh hoch, sambt ganzer Kirchhofmauren zubestechen und zu weißen...". "Item von einem einfart Thor zu solche Kirchmauren, mit ausgehauenen Stückhen zumachen." 
In den letzten Jahren drohten Kirchhofmauer und Tor einzustürzen. In die Abdeckung drang Wasser, der Frost tat ein übriges. Vor der Mauer standen kleinere landwirtschaftliche Gebäude. Sie wurden abgerissen, und den davor liegenden Grund kaufte die Gemeinde. Da Land und Kreis Zuschüsse gewährten, fiel es der Gemeinde leicht, das Tor in ursprünglicher Art und die Mauer mit den alten Steinen wieder aufzubauen. Leider war das alte Tor so stark beschädigt, daß es neu gefertigt werden mußte. Und leider ließ sich die Inschrift links und rechts von der Jahreszahl nicht mehr entziffern. 
In die wieder aufgebaute Mauer wurde das Epitaph des württembergischen Amtmanns von Olnhausen gesetzt. Der Sandstein war schon stark angegriffen. Er wurde in Tauchbädern verfestigt, und es wurde die Inschrift nachgezogen und ergänzt. An der neuen Stelle steht das schöne Rokoko-Epitaph geschützt. An der südlichen Kirchhofmauer war es zu sehr dem Wetter und dem Tropfwasser von den Bäumen ausgesetzt.

 
 

aus "Rückblicke" des Heimatgeschichtlichen Vereins Langenbrettach e.V. [Nr.46-51]
 Verfasser: Herbert Schlegel 
 Zeichnungen: Barbara Schlegel