Die Kriegsereignisse in Brettach vor April 1945
Irgendwann in den Jahren 1942 oder 1943 fanden Brettacher Kinder auf
dem Feld Flugblätter und brachten sie nach Hause zu ihren erschrockenen
Eltern. Denn es war nicht ungefährlich, "Aufklärung" aus Feindeshand
zu lesen oder gar an Bekannte weiterzugeben. Irgend jemand hat ein paar
dieser "Hetzblättchen" aufbewahrt. Viele glaubten damals noch an
den Endsieg. Niemand in Brettach dachte auch nur im Traum daran, daß
der Krieg mit seinen Schrecken unser kleines Dorf so hart treffen sollte.
Brettach, ein unbedeutendes Dorf, abgelegen, strategisch uninteressant,
ohne Bahnanschluß und Industrie, lag doch zu weit "vom Schuß".
"Uns passiert nichts, egal, wie der Krieg ausgeht." Die Evakuiertenzahlen
zeigen, wie sicher man sich in Brettach während des Krieges fühlen
konnte. An so schlimme Vernichtung, wie später geschehen, dachte niemand.
Erst ganz gegen Ende des Krieges mußte man mit dem Entsetzlichen
rechnen. Trotzdem hatte sich das Unglück, von dem Sie hier in dieser
Schrift lesen, vermeiden lassen, hätten nicht einige Fanatiker gemeint,
den Krieg hinauszögern zu müssen, um den Siegern "verbrannte
Erde" zu hinterlassen und einen Schwur zu erfüllen. Wie machtig die Folgen
der hohen Politik auf den kleinen, unbedeutenden Mann zuruckschlagen können,
wenn es ihm nicht gelingt, die Großen rechtzeitig zu zügeln
oder wenn er auf deren Propaganda hereinfällt, wurde gegen Ende des
Krieges fast jedem klar.
Der mörderische Krieg, der weltweit ca. 50 Millionen Tote forderte,
fegte sogar über unser unbedeutendes Dorf hinweg. Eine Dolchstoßlegende
wie nach dem Ersten Weltkrieg konnte diesmal nicht entstehen, dafür
hat der "totale Krieg" gesorgt. Unsere Städte lagen in Schutt und
Asche.
Was die Größen des Dritten Reiches (des "Tausendjährigen
Reiches") doch alles versprochen hatten. Die Flugblätter der Alliierten
trugen die Parolen, die hohlen Phrasen als blanke Ironie zu uns zurück.
Die Propagandamaschinerie lullte die Leute in ein Gefuhl der Sicherheit,
begeisterte. Aber spätestens seit Stalingrad, seit der fast ungehinderten
Bombardierung der deutschen Städte trat bei vielen Ernüchterung
ein. Vielleicht hat am 21.7.44 der eine oder andere daran gedacht, daß
Deutschland angeblich "die Luftherrschaft besitzt", als ein einzelner Flieger
aus einem großen Verband ausscherte und Brettach mit Bomben bewarf.
Der 21. Juli 1944: Ein Bomber schert aus
Am 21. Juli 1944 überflogen Bomberverbände Brettach in nicht
sehr großer Höhe von Süden nach Norden, um die Industriestadt
Schweinfurt anzugreifen. Um 10.33 Uhr blieb bei der Familie Knorr (Gärtnerei)
nach einem Bombeneinschlag in die Scheune die Uhr im Haus stehen. Ein Flieger
war plötzlich aus dem Verband ausgeschert und warf auf Brettach (8?)
Bomben ab. Getroffen wurden:
-
Wohnhaus, Scheune und Viehstall der Fam. Schafter, Rotfelsengasse, dabei
wurden 3 Personen verschüttet,
-
die Scheune der Gärtnerei Karl Knorr, die völlig ausbrannte,
-
der Garten von Frieda Muller an der Beutinger Straße,
-
der Rain schräg gegenüber der Beutinger Straße nahe dem
Lagerhaus,
-
der Garten Sophie Ehmann, Mühlstraße; diese Bombe schlug unmittelbar
am Bachrand ein und riß in den weichen Untergrund einen riesigen
Trichter, der sich sofort mit Wasser füllte,
-
ein Weinberg nahe dem Brettacher Wald,
-
der Garten der Fam. Rehn in der Beutinger Straße,
-
der Acker des Eugen Schumacher, ca. 80 m außerhalb des Ortes in Richtung
Langenbeutingen.
Tieffliegerangriffe
Bis 1943 waren die Bewohner im Dorf bei der Feldarbeit vor Tieffliegern
sicher. Während von Dörfern zwischen Heilbronn und Stuttgart,
die z.B. Bahnanschluß hatten oder sonst strategisch wichtig erschienen,
immer wieder von Tieffliegerangriffen berichtet wurde, blieb Brettach verschont.
Vor dem Sommer 1944 gab es nur 2 relativ harmlose Tieffliegerangriffe.
Im Mai 1944 griffen Jabos die Frank'schen Holzlagerschuppen auf dem Gelände
der heutigen Schwäbischen Champignon-Kulturen an. Dabei wurde eine
Person leicht verletzt, andere waren zwar unmittelbar bedroht, kamen aber
mit dem Schrecken davon. Etwa zur selben Zeit griffen Tiefflieger Leute
auf dem Feld in der Nähe des Goldbrünnle an. Es kam niemand zu
Schaden.
Gefährlich wurde es bei der Feldarbeit erst ab Anfang 1945 bis
zum Ende am 13. April 1945. Im Zuge der amerikanischen Luftüberwachung
der Nachschubstraße Neuenstadt-Öhringen waren die auf den Äckern
arbeitenden Landwirte bedroht. Sie wurden verschiedentlich angegriffen,
ohne daß es zu Verletzten oder gar Toten gekommen wäre.
Ein Ereignis muß noch erwähnt werden: Am 4. Dezember 1944
stürzte einer der Bomber, die Heilbronn angriffen, im Gewann "Hungerberg"
ab. Der Pilot kam ums Leben.
Die "Festung" Heilbronn
Anfang April 1945 verlief eine Deutsche Abwehrfront von Süden
nach Norden am östlichen Neckarufer entiang bis Heilbronn und von
dort bis zur Jagstmündung und an der Jagst entlang bis etwa nach Möckmühl.
Kreisleiter Drauz hatte Heilbronn zur Festung erklärt und daraufhin
wurden entlang der genannten Linie und in Heilbronn SS-Verbände zusammengezogen.
Daraus ergab sich für die Amerikaner eine besondere Angriffs-Strategie.
Sie umgingen die deutsche Abwehrlinie im Neckar-Jagst-Bereich im Norden,
um schnell mit einer starken Panzergruppe über Mergentheim bis nach
Crailsheim vorzustoßen. Sie beabsichtigten, den Großraum Heilbronn
mit seiner Konzentration von vorwiegend jungen SS-Soldaten einzukreisen,
um den Hohenloher Raum und das Unterland auch von Osten her angreifen zu
können. Crailsheim war heftig umkampft, wurde durch Fliegerangriffe
in Mitleidenschaft gezogen und von Deutschen und Amerikanern beschossen.
Bei Crailsheim warfen deutsche Truppen die Amerikaner nach Norden und Nordosten
zurück. Das hatte für uns zweierlei zur Folge: Erstens der Angriff
von Westen auf Heilbronn dauerte länger, namlich vom 4. - 12. April.
und zweitens versuchten nun die Amerikaner unmittelbar nördlich von
uns über Jagst und Kocher mit ihrer 63. Infanteriedivision nach Süden
vorzustoßen. Die Heilbronner "Festung" im Westen und der mißlungene
Einkreisungsversuch von Osten her waren die Grunde dafür, daß
unser Gebiet vom Hardthauser Wald her durch die amerikanische Artillerie
beschossen wurde. Die Front verschob sich von Norden nach Süden (s.
Karte 3). Am 3. April 1945 verlief die Front etwa von Mergentheim nach
Mockmühl und Jagstfeld, am 13.4. von Heilbronn uber Weinsberg nach
Bretzfeld und Neuenstein, und am 17.4. waren die Löwensteiner Berge
erreicht.
Vorkehrungen der Bevölkerung
Als die Front immer näher rückte, die Rauchsäulen der
zerstörten umliegenden Dörfer Signal von den Schrecknissen gaben,
wurde die Frage der Zivilbevölkerung nach Schutz immer dringlicher.
In den Jahren zuvor war zwar die Bevölkerung in vielen Luftschutzübungen
auf den Ernstfall hingewiesen worden, trotzdem gab es keine einheitlichen
Verhaltensregeln. Soldaten und ehemalige Soldaten des Ersten Weltkrieges
gaben ihre Erfahrungen weiter.
Da sich in Brettach fast unter jedem Haus und unter so mancher Scheune
ein geräumiger gewölbter Keller befand, war es nur verständlich,
daß Ende März 1945 Lebensmittel, Kleider und Notbetten in die
Keller geschafft wurden. Die Kellerfenster und Kellertüren sicherte
man nach außen mit Balken und Stämmen ab. Vielen war das zu
unsicher, da man seit dem 4. Dezember von Heilbronn wußte, wie im
Feuersturm der Keller zu einer höllischen Falle werden konnte. Deshalb
wurden im Wald, in den Weinbergen und auch in der näheren Umgebung
des Dorfes in den Wiesen und Ackergrundstücken Unterstände gebaut,
in die man sich bei unmittelbarer Gefahr zurückziehen konnte.
Als man von den Erlebnissen, die die Bevölkerung in Neuenstadt,
Kochertürn und Oedheim am 8.4.1945 gemacht hatten, erfuhr, wollte
man daraus die richtigen Lehren ziehen.
Das Gewolbe unter dem Lindenplatz war z.B. zum Luftschutzkeller ausgebaut,
die Zugänge hatten eine Schleuse aus doppelten Stahltüren Das
Schlößle und das Gasthaus "Lamm" haben je einen sehr großen
und tiefen Keller mit Quellen. Auch da waren wie in fast allen kleinen
Kellern Vorbereitungen getroffen. Beim Angriff fanden in den großen
Kellern viele Brettacher Frauen und Kinder Zuflucht. lm sog. "Tiefen Weg,"
einem breiten und weit eingeschnittenen Hohlweg, in Richtung Wald (der
später im Rahmen der Flurbereinigung zugeschoben wurde), befanden
sich 4 bunkerähnliche Unterstände. Einer davon war der sog. Eiskeller,
der zur Gaststätte "Deutsches Haus" gehörte und in dem sich
früher das Eis, das man im Sommer zum Kühlen der Bierfässer
brauchte, aufbewahrt war.
Vom 31. März bis zum 11. April: Das Schreckliche zeichnet sich
ab. Angriffe auf die Nachschubstraße Neuenstadt - Öhringen
Ab März 1945 fuhren zunächst vor allem nachts größere
Konvois von Neuenstadt in Richtung Zuckmantel oder durch Brettach hindurch
in Richtung Südosten. Ein Zeichen für die Brettacher, daß
der Krieg bedrohlich nahe gerückt war. Die Einquartierungen wechselten
häufig. Feldbäckereien, Wehrbezirksnachrichtenabteilungen, Lazarette,
Gefangenentransporte, einzelne versprengte Soldaten und Verwundetentransporte
wechselten sich ab. Die versprengten Soldaten machten auf die Einwohner
unseres Dorfes einen bemitleidenswerten Eindruck. Vertrauen auf wirklichen
Widerstand war seit Stalingrad und den zerstörten deutschen Städten
verschwunden. In Brettach hatte man nur eine Hoffnung, nämlich die,
als kleines unbedeutendes Dorf vielleicht doch nicht in die Kreigswirren
einbezogen zu werden, trotz der anwesenden SS-Soldaten. Insofern sah man
alle militärischen Aktivitäten eher als Bedrohung denn als Hilfe.
Rat und Tat nahmen die Bewohner zwar von den Soldaten beim Herrichten
von Kellerräumen und Unterständen gerne an, aber verteidigen
sollten sie Brettach um Himmels Willen nicht. Leider konnte die Bevölkerung
dann doch nicht verhindern, daß die hier anwesenden SS-ler den Amis
Widerstand entgegensetzten.
Die Nachschubstraße Heilbronn, Neckarsulm, Neuenstadt, Öhringen,
die heutige L 1088, war in den letzten Kriegstagen häufig Ziel von
Fliegerangriffen. Zurückflutende Soldaten und Nachschubtransporte
wurden wiederholt angegriffen. Am 31 .3.1945 fuhr am hellichten Tage ein
Konvoi von Transportfahrzeugen von Neuenstadt in Richtung Öhringen.
Es müssen etwa 20 - 30 Lastwagen gewesen sein, die im Abstand von
einigen hundert Metern langsam in Richtung Zuckmantel rollten. Einige Jabos
schossen viele dieser Fahrzeuge in Brand.
Die beiden Brettacherinnen, Frieda Baier, geb. Lumpp und Anna Luise
Lauk, geb. Baier, waren auf dieser Straße von Neuenstadt kommend
mit einem Leiterwagen unterwegs und wollten kurz nach dem Angriff auf den
LKW-Konvoi an einem brennenden Wehrmachtswagen vorbeigehen. Dieser stand
etwa auf halber Strecke zwischen Einfahrt "Stadthohle" (Brettach) und der
Straßeneinmündung nach Gochsen. Von einem Soldaten sollen die
beiden Frauen noch davor gewarnt worden sein, doch nicht an dem brennenden
Fahrzeug vorbeizugehen. Sie hörten nicht auf ihn, sie hatten die Gefährlichkeit
der Situation nicht erkannt. Als sie sich auf Höhe des Munitionswagen
befanden, expolodierte der, und die beiden Brettacherinnen wurden getötet.
Sie waren die ersten zivilen Opfer Brettachs in diesem Krieg.
Der Artilleriebeschuß
Vom 8. April an wurde Brettach vom Hardthäuser Wald aus beschossen.
Der Artilleriebeschuß dauerte vom 8. bis zum 13. April Nur an zwei
Tagen herrschte einigermaßen Ruhe. Am heftigsten war der Beschuß
nach dem Fliegerangnff in der Nacht vom 12. zum 13. April. Die meisten
Toten, die in Brettach zu beklagen waren, kamen durch Granaten ums Leben.
Die Zahl der Artilleriegranaten, die im Dorf einschlugen, ist nicht
feststellbar. Niemand hat sie verständlicherweise gezählt, obwohl
sich die schrecklichen Erlebnisse bis in die kleinsten Datails ins Gedächtnis
der Menschen eingepragt haben.
Eine Granate fiel in die Rathausstraße. Die letzten Splitterlöcher
in den Sandsteinen des Rathauses sind erst bei der jüngsten Renovierung
beseitigt worden.
Der Artilleriebeschuß auf den Lindenplatz war besonders stark.
Der Friedhof, das Pfarrhaus, die Linde und der Lindenhof sind getroffen
worden. In der Nacht zum 13. April schlug z.B. eine Granate in eine vor
dem Backhaus abgestellte Ackerwalze. Eine der drei Eisenwalzen wurde gegen
die Luftschutztüren des Kirchbrunnenkellers geschleudert und brach
diese ein. Wie durch ein Wunder wurde in dem vollbesetzten Schutzraum niemand
verletzt. Einige Frauen flüchteten in panischer Angst aus dem unsicheren
Raum in benachbarte Kellerräume.
Von Norden nach Süden: Jagst- Kocher- Brettach
In der ersten Aprilwoche überschritten die Amerikaner auf ihrem
Vormarsch von Norden nach Süden die Jagst und überquerten in
wenigen Tagen die Hochfläche zwischen den beiden Flüssen bis
zum Kocher. Am 8. und 9. April fielen die Ortschaften Siglingen, Möckmühl
und Widdern, und von dort aus drangen die Amerikaner in den Hardthäuser
Wald ein. Dieses große Waldgebiet war fur sie ein Hindernis.
Im Bericht der 7. Amerikanischen Armee heißt es: "Um die SS aus
ihren Schlüsselstellungen an der Jagst (Jagstfeld bis Möckmühl)
zu vertreiben, mußten Teile der Regimenter 253 und 255 ein Einschließungsmanöver
durchführen. Das Regiment 253 schickte zwei Bataillone über die
Jagst (vermutlich bei Neudenau-Siglingen). Diese wandten sich nach Osten
und drangen in den Hardthäuser Wald ein. Das 3/253 kämpfte zwei
Tage lang, 6. bis 8. April, um die Deutschen aus Möckmühl zu
vertreiben, und vereinigte sich dann mit den andern Bataillonen südlich
des Flusses bei dem Durchdringen des Waldes, in dem das Regiment nur langsam
vorwärts kam. Weiter östlich griff das Regiment 255 hart verteidigte
Orte und Höhen auf dem nördlichen Jagstufer an (vermutlich Rossach
und Oberkessach). Am 7. April überschritt das Regiment die Jagst 7
Meilen östlich von Möckmühl (bei Jagsthausen - Berlichingen
- Bieringen) und erweiterte seine Stellung, um den Hardthäuser Wald
im Osten zu flankieren. Das 3. Bataillon 255 rückte am 9. April nach
Südwesten in den Wald vor, während das Regiment 253 mit seinen
3 Bataillonen in den Westteil des Waldes eindrang. Diese Zangenbewegung
zwang die deutschen Truppen zum Rückzug nach Süden. Teile der
2 Regimenter trafen sich in der Mitte des Waldes und setzten ihren Vormarsch
nach Süden fort. Die Säuberung des Hardthäuser Waldes zusammen
mit den Angriffen des 1. und 2. Bataillons 398 auf die Orte an der Jagst-
und Kochermündung zwang die 17. SS-Division zum Rückzug hinter
den Kocher."
Bei Lampoldshausen kam es zu langen, ernsten Kämpfen. Während
des Durchmarsches durch den Wald wurde Lampoldshausen von Kreßbach
und vom Seehaus her durch amerikanische Artillerie beschossen. Von dort
aus wurden dann auch vom 8. April an die Nachschubstraße Neuenstadt
- Öhringen sowie die Dörfer Gochsen, Kochersteinsfeld und Brettach
mit Artilleriefeuer belegt.
Am 7. April um 10.00 Uhr schlugen die ersten Geschosse in Lampoldshausen
ein, danach erfolgte ein Tieffliegerangriff. Am 8. April wurde das Dorf
nochmals beschossen, und ein Flieger warf acht Sprengbomben ab. Die SS
leistete erbitterten Widerstand, und erst am 10. April wurde Lampoldshausen
von den Amerikanern besetzt. Sechzig Soldaten fielen und 6 Einwohner kamen
ums leben. Vier Tage lang, bis zum 13. April, blieben dann die amerikanischen
Truppen mit ihren Panzern in Lampoldshausen. Während dieser Zeit wurde
Brettach vom Hardthäuser Wald her immer wieder mit Artilleriegranaten
beschossen.
Die Amerikaner blieben deshalb so lange im Hardthäuser Wald, weil
man aus strategischen Gründen auf die Einnahme von Heilbronn warten
wollte, um den Vormarsch nach Süden ins Weinsberger Tal und in Richtung
Löwensteiner Berge ohne Störungen von Heilbronn her fortsetzen
zu können.
Gochsen und Kochersteinsfeld sind nicht so hartnäckig verteidigt
worden wie Lampoldshausen. Nur etwa 20 SS-Soldaten befanden sich in Gochsen
und einige schlecht ausgerüstete Wehrmachtsangehörige und Volkssturmmänner
lagen bei der Buchsmühle. Eine einzige deutsche Werferbatterie schoß
am 8. und 9. April in die amerikanischen Stellungen, was zur Folge hatte,
daß die Amerikaner die jeweils ca. 40-fache Zahl an Granaten zurückschossen.
Diese Werferbatterie zog sich erst in der Nacht zum 12. April in Richtung
Zuckmantel zurück. Sie war, außer den SS-Soldaten, die im Dorf
stationiert waren, mit dafür verantwortlich, daß Brettach wieder
und wieder Granatfeuer erhielt.
Auf der Straße in Richtung Zuckmantel vollzog sich der Rückzug
der deutschen Soldaten, die einen erbarmungswürdigen Eindruck machten.
Sie wurden ständig von Tieffliegern angegriffen.
Am 9. April wurde nach vorheriger Beschießung durch Artillerie
Gochsen von Tieffliegern angegriffen. (143 Gebäude zerstört,
davon 49 Wohnhäuser und 94 Scheunen und Ställe, 10 Einwohner
getötet).
Am 13. April morgens zogen aus Gochsen die letzten deutschen Soldaten
ab. Bei ihrem Abzug sprengten sie die Kocherbrücke. Um 8.00 Uhr morgens,
am 13. April, wurde Gochsen von amerikanischer Infanterie und Panzern besetzt.
Am Ostersonntag, dem 8. April, 17.00 Uhr, wurde Kochersteinsfeld von Jabos
angegriffen (8 Wohnhäuser, 15 Scheunen zerstört).
Am 11. April wurde Kochersteinsfeld erneut durch Artillerie von Lampoldshausen
her beschossen. Vier Einwohner kamen dabei ums Leben und weitere Gebäude
wurden zerstört oder beschädigt. Etwa 150 deutsche Soldaten,
vorwiegend von der Waffen-SS, sollen den Brückenkopf bei Kochersteinsfeld
verteidigt haben. In der Nacht zum 13. April zogen sich die letzten deutschen
Soldaten über den Kocher zurück und am 13. April rückten
von Lampoldshausen her die Amerikaner an. Bei diesen Kämpfen gab es
35 tote deutsche Soldaten und 8 tote Amerikaner. Neuenstadt und Brettach
waren in der Blickrichtung von Norden nach Süden in unserer Gegend
die beiden letzten Ortschaften, die infolge der Gegenwehr der Waffen-SS
zerstört wurden. Langenbeutingen und Cleversulzbach, sowie die meisten
Ortschaften im Weinsberger Tal blieben weitgehend verschont.
Am 8. April wurden Neuenstadt, Kochertürn und Oedheim durch Luftangriffe
zerstört. Daraufhin rückten die letzten SS-Soldaten von Neuenstadt
in Richtung Cleversulzbach ab, und von dort aus zogen sie nach kurzer Zeit
über den Wald in Richtung Weinsberger Tal und Löwensteiner Berge
weiter, während sie in Brettach bis zum 13. April blieben.
Die Waffen-SS will Brettach verteidigen und hält Gericht
Die Soldaten der deutschen Wehrmacht machten in den letzten Kriegsmonaten
meist einen bemitleidenswerten Eindruck. Sie waren miserabel ausgerüstet,
schlecht versorgt und ernährt. Die Auflösung der Truppenteile
und der beständige Ortswechsel des Rückzuges setzten ihnen sehr
zu. Die Kampfmoral war gebrochen. Viele setzten sich bei einer sich bietenden
Gelegenheit ab, warfen ihre Uniform weg, versteckten sich auf Bauernhöfen
oder im Wald oder versuchten, sich bei Nacht zu Fuß nach Hause durchzuschlagen.
Ungefährlich war diese Handlungsweise nicht. Immer wieder wurde von
der Erschießung von Deserteuren berichtet. Deshalb konnten, solange
sich in Brettach noch SS-ler aufhielten, z.B. auch keine weißen Fahnen
gehißt werden. In den letzten noch erschienenen Zeitungen und auf
Handzetteln war zu lesen: "TOD den VERRÄTERN".
Manchmal wurde sogar die Waffen-SS von der fortschreitenden Demoralisierung
ergriffen. Ansonsten waren die blutjungen Burschen "gehorsam" und "diszipliniert"
und ihren älteren fanatisierten Vorgesetzten in Angst untertan. Schauermärchen
wurden den jungen Soldaten erzählt, was die Amis alles mit ihnen machen
würden, wenn sie in Gefangenschaft gerieten. All das hat dazu beigetragen,
den Krieg zu verlängern. Unnötige Opfer an Menschenleben mußten
dadurch noch gebracht werden. Der Bevölkerung wäre viel Leid
erspart geblieben, hätte man nicht an der sogenannten "Heimatfront"
den aussichtslosen Krieg verlängert. Man wollte dem Feind verbrannte
Erde hinterlassen und hat doch nur die eigene Bevölkerung geschädigt.
In ihrer fast kindlich zu nennenden Unerfahrenheit haben z.B. zwei
junge freiwillige SS-Soldaten von der Brettacher Kirchhofmauer aus mit
dem Karabiner nach amerikanischen Tieffliegern geschossen. Als sie ein
Mann aus der Zivilbevölkerung auf den Unsinn aufmerksam machte, wurde
er von den beiden Jungschützen mit der Pistole bedroht.
Brettacher Männer, die als Verwundete in dieser Zeit zu Hause
waren, wunderten sich des öfteren über das unsoldatische Verhalten
der SS und über das verbohrte Gehabe der Befehlenden. Nur bei einem
sehr kleinen Teil der Bevölkerung fanden die SS-ler mit ihren Durchhalteparolen
bedingungslos Unterstützung, nämlich bei denen, die dem Nationalsozialismus
treu ergeben waren. Mit ihnen bildeten sie eine Art "Gemeinschaft im Untergang".
Nur so sind die Feste und Feiern der SS-ler zu verstehen, die bis kurz
vor dem Einmarsch der Amerikaner "geschmissen", wurden und die auf die
Bevölkerung makaber und abstoßend wirkten. Es war jedem klar,
daß militärischer Widerstand gegen die Amerikaner die Zerstörung
des Dorfes bedeutete. Jedesmal, wenn sich besorgte und verängstigte
Bürger an die SS-ler wandten, doch den sinnlosen Widerstand aufzugeben,
wurden sie massiv bedroht und mußten um Leib und Leben bangen.
Hinter der Front, so auch in Brettach, suchte überall die Feldgendarmerie
der SS nach versprengten Soldaten und Fahnenflüchtigen. Von anderen
Orten wußte man, daß Deserteure oder sogar Zivilpersonen erschossen
(oder erhängt) wurden.
Einquartiert waren die SS-Soldaten in einigen hiesigen Gaststätten,
in verschiedenen Privathäusern, in der Schule und im Backhaus bei
der Kirche. Der Stab befand sich im Gasthaus zum Lamm. Die SS beschlagnahmte
den Gasthof. Die Familie Häußermann wurde von ihrer Wohnung
ausquartiert; sie mußte sich im Schlachthaus und im Keller einrichten.
In dem großen Lammkeller waren von den Nachbarn 50 Betten aufgestellt
und belegt worden. Außerdem hatten die NSU-Werke ein Reifenlager
darin. Schließlich richtete die SS ein Hauptquartier mit Befehlsstand
ein. Ein Offizier war der Leiter.
Das SS-Gericht (Kriegsgericht) tagte im Lamm-Saal. Richter soll der
SS-Offizier Oberg (wahrscheinlich der sogenannte "Schlächter von Paris"),
ein berühmt-berüchtigter Mann gewesen sein. Als Beisitzer fungierte
Generaloberst Siebert.
Die angeklagten Soldaten, wohl zumeist Deserteure, wurden an den Händen
gefesselt vorgeführt. Lkw's brachten die Unglücklichen nach Brettach.
Nach der Verhandlung transportierte man sie wieder ab. D. h. Urteile wurden
hier in Brettach nicht vollstreckt. Zu welchen Strafen das Gericht die
Soldaten verurteilte und ob und wo sie vollstreckt wurden, ist nicht bekannt.
Akten hierzu gibt es keine.
Ungefähr 3 Wochen lang hielten sich bis zu 25 Mann der Waffen-SS
hier im Dorf auf. Sie hatten ihren eigenen Koch, der die Mannschaft versorgte.
Wieviel die Aufklärungsflieger der Amerikaner von dem Treiben
der SS mitbekamen, läßt sich nur schwer sagen. Vermutlich mehr
als die SS-ler wahrhaben wollten.
Der Fliegerangriff
Elf Flugzeuge vom Typ "Republik P-47D Thunderbolt" griffen am 12. April
1945 Brettach an. Woher man das weiß? Nun, das geht aus dem Einsatzbericht
der amerikanischen Luftwaffe hervor.
Wie es der Zufall so wollte, fand der an Regionalgeschichte interessierte
Günter Beck aus Beilstein, der in den USA in einem Militärarchiv
nach Dokumenten über seine Heimatstadt suchte, den Bericht vom Fliegerangriff
auf Brettach.
In genauen Daten und Zahlen hielt darin der amerikanische Einsatzoffizier
Jesse R. Core, Captain der Fliegerstaffel, fest, wie er mit seiner Gruppe,
die "Stadt Brettach" (Town of Brettach) bombardierte und beschoß.
Der Bericht ist sehr nüchtern und sachlich. Im militärischen
Bereich läuft eben alles befehlsgemäß und präzise
ab, wenn es die kriegerischen Ereignisse zulassen.
Die folgenden Seiten zeigen den amerikanischen Originalbericht und
eine deutsche Übersetzung. Man erfährt unter anderem, folgende
Details:
Die Flugzeuge vom Typ P-47D von der 526. amerikanischen Jagdfliegerstaffel,
86. Gruppe, waren angewiesen, am 12.April 1945 unter der Befehlsnummer
3498 Brettach zu bombardieren und zu beschießen. Die Anflugzeit betrug
16,35 Minuten, zum Abladen der Bomben und zur Beschießung brauchten
die Piloten über dem Operationsziel 18,1 Minuten, und der Rückflug
zum Flugplatz dauerte 19,05 Minuten. Das ergibt eine Gesamfflugzeit von
54 Minuten (27/30 Stunden). Der Start- und Landeplatz darf irgendwo in
der Rheinebene oder Pfaiz angenommen werden. Auf dem Rückflug waren
die Flugzeuge bei dem herrschenden Westwind länger unterwegs als beim
Anflug.
Aus 450m Höhe warfen die elf Flugzeuge bei bewölktem Himmel
vier schwere und achtzehn leichtere Brandbomben ab und schossen im Tiefflug
10 500 Schuß Munition vom Kaliber 12,5mm in das Dorf. Dabei wurden
die amerikanischen Flugzeuge zu keiner Zeit, wie es in dem Bericht heißt,
von deutschen Jägern oder Flak gestört. Lediglich irgendein im
Dorf verbliebener junger deutscher Soldat muß mit einem Karabiner
nach den Flugzeugen geschossen haben. Dabei beschädigte er eine P-47D
an der Tragfläche.
Weitere Einzelheiten kann man dem englischen Originalbericht oder der
deutschen Übersetzung auf den folgenden Seiten entnehmen. Vor allem
die Zusammenfassung am Ende des Einsatzberichtes ist aufschlußreich.
Republic P-47D Thunderbolt - die Flugzeuge,die Brettach angriffen
-
Der amerikanische Jagdbomber und Jäger war von 1943 bis 1945 im
Kriegseinsatz. Die P-47 war das größte und schwerste einmotorige
Jagdflugzeug amerikanischer Produktion. Es wurde bei der Republic Aviation
Corporation gebaut.
Bereits 1940 gab es Pläne für ein leichtes Jagdflugzeug.
1941 baute man dann allerdings einen wesentlich umgestalteten Prototyp,
der größer und vor allem stärker war, namlich mit einem
2000PS starken Doppelsternmotor ausgerüstet.
Im November 1942 wurden 171 Maschinen des Typs P-47B gebaut, die dann
erst im Frühjahr 1943 von der amerikanischen Air Force in Dienst gestellt
wurden.
Eine weitere Version war die P-47C, von der ca 600 Maschinen gefertigt
und eingesetzt wurden. Dieser Typ hatte bereits, wie die spätere P-47D,
einen außen angehängten abwerfbaren Treibstofflank.
Die älteren Brettacher wissen noch, daß solche Treibstofflanks
gleich nach dem Krieg, als Paddelboote umgebaut, sehr begehrt waren. Ein
viereckiger Ausschnitt aus dem Blech, und man konnte sein eigener Kapitän
sein und "Bootles fahr'n". Noch längere Zeit nach dem Krieg lagerten
auf dem Ödheimer Flugplatz stapelweise Treibstofflanks bereit, verschrottet
zu werden.
Von der P-47D wurden insgesamt ca 16 000 Stück hergestellt; 11
davon zerstörten Brettach. Im Volksmund hießen diese Flugzeuge
Jabos, die Kurzform für Jagdbomber. Die P-47D wog 4860 kg, hatte eine
Spannweite von ca 12,5 m, eine Länge von 11 m und war mit einem Mann
besetzt. Diese Jabos konnten 227kg- oder 454kg-Bomben tragen, bei einer
Gesamtbombenlast von 1175 kg; sie waren mit sechs oder acht 12,7 mm Maschinengewehren
bestückt. Auf Brettach wurden 4 Stück 227kg- und 18 Stück
118kg-Bomben abgeworfen. Außerdem schossen die 11 Flugzeuge 10 500
Schuß Munition vom Kaliber 12,5 mm aus den Maschinengewehren ins
Dorf. Ein 2535 PS starker Doppelsternmotor verlieh der P-47D eine Höchstgeschwindigkeit
von ca. 700 km/h bei einer Höhe von ca. 9000 m. Die normale Reichweite
betrug ca. 940 km. Die P-47D war mit ihren Maschinengewehren, Raketen und
Bomben sowohl ein guter Luftkämpfer als auch zur Bekämpfung von
Bodenzielen geeignet.
Fliegerangriff und Einmarsch der Amerikaner am 12./13.4. Aufklärungsflugzeug
und Erkundungspanzer
Am 12.4.1945, etwa um 16.00 Uhr, versuchten die Amerikaner Brettach
zu besetzen. Sie schickten einen Erkundungspanzer ins Dorf, nachdem offenbar
der Aufklärungsflieger keine Aktivitäten der Waffen-SS mehr ausmachen
konnte.
Die folgenden, von zwei Augenzeugen geschilderten Ereignisse lösten
den Fliegerangriff auf Brettach aus.
" Gegen 14 Uhr mußten die Kinder in den Keller, da über
Brettach besonders lange ein Aufklärungsflieger kreiste und alle den
Angriff standig erwarteten. Beim Waaghäusle auf dem Marktplatz tauchte
dann 2 1/2 Stunden später ein amerikamischer Panzer auf, der von einem
SS-Mann mit einer Handgranate angegriffen wurde. Dieser Angriff und die
Sichtung von SS im Dorf könnte der Grund für den Fliegerangriff
auf Brettach gewesen sein." (E.R.)
"Am Nachmittag des 12. April war plötzlich das Geräusch
eines Panzers zu hören. Er rollte langsam von Norden her durch die
Hauptstraße in Richtung Marktplatz. Ab und zu hielt er an. In der
Nähe des Kaufhauses Hinderer stoppte er und drehte um. Aus der Scheune
Waffenschmid (heute Müller) rannte ein SS-Mann und warf eine Handgranate
(andere Version: ,... schoß mit dem Gewehr auf den aus dem Turm Umschau
haltenden Amerikaner'). Ein US-Soldat wurde verwundet oder getötet.
Über Funk berichtete der rasch abziehende Panzer von der Anwesenheit
der SS in Brettach. Ungefähr eine halbe Stunde später erfolgten
die Beschießung und Bombardierung." (G.H.)
Die Hölle: Phosphorbomben, Bordwaffen und Artilleriegranaten
Die schreckliche Zerstörung wird hier sowohl als nüchtern-sachliche
Berichterstattung dargestellt, als auch von einigen Augenzeugen aus der
Unmittelbarkeit ihrer Eindrücke geschildert. Erschöpfend können
die Ereignisse nicht erzählt werden, das würde den Rahmen dieser
Schrift sprengen. Jeder Brettacher Einwohner von damals hatte seine eigenen
Erlebnisse, sein persönliches Schicksal. Die folgenden Beispiele stehen
für die der übrigen Bevölkerung.
Der Bericht des Statistischen Landesamtes Stuttgart (mit einigen zusätzlichen
Anmerkungen) lautet in etwa so:
"Die amerikanische Artillerie beschoß vom Hardthäuser Wald
aus vom 8. bis 12. April das Dorf. Am 12. April 1945 wurde Brettach durch
einen schweren Luftangriff zerstört. Ungefähr 15 Tiefflieger
warfen über 100 Brandbomben. Der Angriff dauerte ca. 20 Minuten. Dieser
Fliegerangriff erfolgte am 12. April nachmittags um 17.00 Uhr. Eine halbe
Stunde später setzte nochmals heftiger Artilleriebeschuß ein,
bis gegen 6.00 Uhr morgens, so daß die im Dorf verbliebene Bevölkerung
sich schleunigst in Sicherheit bringen und die Löscharbeiten einstellen
mußte. Viele Gebäude wurden deshalb erst durch Funkenflug entzündet
und brannten nieder. Nur einige besonders Mutige versuchten die Gebäude
zu löschen, infolge des Wassermangels mit Jauche. 70% der Gebäude
wurden zerstört oder beschädigt. Neun Einwohner kamen ums Leben.
Zwei unbekannte Soldaten starben.
Die meisten SS-Soldaten zogen am Abend des 12. April in Richtung Brettacher
Wald davon. Die letzten von ihnen sprengten um 1.00 Uhr in der Nacht die
Brettachbrücke und setzten sich in Richtung Langenbeutingen ab.
Am 13. April gegen 17.00 Uhr besetzten die Amerikaner von Kochersteinsfeld
her Brettach. Panzer und Infanterie rückten ein. Die amerikanischen
Soldaten verließen, da das Dorf vollig zerstört war, nach drei
Tagen wieder Brettach."
Die Amerikaner kommen
Die amerikanische Infanterie drang mit Panzerunterstützung von
Kochersteinsfeld her in Brettach ein. Ein Teil der Panzer umfuhr im Osten
das Dorf und rollte über die Langenbeutinger Straße in den Ort.
Die Panzersperren waren bereits vorher abgeräumt worden.
K. B., der "aktiv" dabei war, erzählt heute folgendes:
" Wir hörten so gegen 17 Uhr die amerikanischen Panzer langsam
von Langenbeutingen her auf Brettach zukommen. Beim 'Steinacker' hielten
sie an und gaben mehrere Schüsse ab, unter anderem auch in die Feldscheune
Scheuerle nahe dem Sportplatz (die Scheune stand an der Stelle, wo heute
die Fa. Waffenschmid ihre Fabrikationsräume hat). Die Feldscheune
brannte nieder. In ihr hatten sich bis zur Brückensprengung um 1.00
Uhr in der Nacht SS-Soldaten aufgehalten.
Als die amerikanischen Panzer anschließend in Richtung Brettach
weiterfuhren, ging ich ihnen mit einer weißen Fahne entgegen. Ich
wurde von einem amerikanischen Soldaten gefragt, ob sich im Dorf noch SS
befinde. Ich sagte ihnen, die sei vor eineinhalb Stunden in Richtung Wald
abgezogen. Im Laufe der Verhandlungen kam A. S. ebenfalls mit einer weißen
Fahne die Böschung herunter. Nach kurzer Zeit ging ich wieder nach
Hause.
A. S. mußte anschließend den Panzern mit der weißen
Fahne bis zum Ort vorausgehen. Die Amis wollten sicher sein, daß
Brettach nicht mehr von SS-Soldaten verteidigt wird." (K. B.)
Die Amerikaner rückten fast gleichzeitig von der "Stadthohle",
von der Kochersteinsfelder Straße, vom "Schafgraben", von der "Alten
Hohle" und von der Langenbeutinger Straße her in Brettach mit Infanterie
und Panzerunterstützung ein. Sie setzten auf einige Panzer Deutsche,
z. B. einige Feuerwehrleute aus Mannheim, die sich zufällig hier aufhielten.
Sie zogen mit vorgehaltener MP von Haus zu Haus, von Ruine zu Ruine
und von Keller zu Keller. Überall blickten sie in ängstliche
und doch erleichterte Frauen-, Greisen- und Kindergesichter. Nur manche
Männer, vor allem Verwundete, wurden für mögliche kämpfende
Soldaten gehalten.
Wenige Soldaten, die zuvor ihre Uniformen weggeworfen hatten, wurden
kurz verhört und als sich herausgestellt hatte, daß sie nicht
zur SS gehörten, wieder freigelassen.
Nach der Einnahme mußten alle Einwohner im südlichen Bereich
(Cleversulzbacher Str., Rotfelsengasse) des Dorfes ihre Keller und Wohnungen
verlassen. Sie mußten sehen, wo sie im zerbombten Dorf Unterschlupf
fanden. Die Amerikaner erklärten den südlichen Teil des Dorfes
zur Front.
Die Kriegsfolgen
Tote
-
Baier, Frieda, geb. Lumpp geboren 1911, gest. 31.3.45
-
Lauk, Anna Luise, geb. Baier geboren 1901, gest. 31.3.45
-
Sämann, Frieda geboren 1906, gest. 12.4.45
-
Hubmann, Christian geboren 1881, gest. 12.4.45
-
Kuttruff, Werner geboren 1935, gest. 12.4.45
-
Brecht, August geboren 1932, gest. 12.4.45
-
Ehmann, Lore (aus Krefeld) geboren 1929, gest. 12.4.45
-
Ehmann, Günter (aus Krefeld) geboren 1940, gest. 12.4.45
-
Weber, Maria (aus Mannheim) geboren 1914, gest. 12.4.45
-
Kuttruff, Erich geboren 1924, gest. 12.4.45
-
Britsch, Erwin geboren 1931, gest. 12.4.45
-
Ein unbekannter deutscher Soldat
-
Ein unbekannter deutscher Soldat
-
Vermißt: Pauline Waldmüller, geb. 1882 vermutlich gest. am 13.4.45
Infolge der Explosion eines in Brand geschossenen Wehrmachtswagens.
1) und 2)
Getötet durch Granaten 3) bis 11)
Evakuierte
Da Brettach als sicher galt, waren viele Evakuierte und Verwandte von
Brettachern aus bedrohten Städten hier. Der tragische Tod der beiden
Kinder Lore Ehmann und Günter Ehmann aus Krefeld, die hier mit ihrer
Mutter bei Verwandten waren, zeigt, daß man in diesem "totalen Krieg"
nirgendwo sicher war.
Drei Schriftstücke aus den Akten des Brettacher Archivs von 1945
zeigen die Situation des Dorfes nach der Zerstörung hinsichtlich der
Evakuierung:
Brettach, den 5. September 1945, gemeldet dem Herrn Kreisbaumeister
Kopp Siglingen
-
Gemeinde Brettach
-
Einwohnerzahl im Jahr 1933
-
Einwohnerzahl im Jahr 1945
-
In der Einwohnerzahl von 1945 sind inbegriffen Evakuierte aus dem Kreis
Heilbronn
-
aus Württemberg
-
aus dem Reich
|
994
1083
76
68
108
zus. 252 |
Wohngebaude vorhanden |
|
-
unbeschädigte Wohnungen
-
leicht beschädigte Wohnungen u. in kurzer Zeit beziehbare
-
total beschädigte Wohnungen
|
114 Stück
0 Stück
143 Stück |
Il. Brennholzzuteilung 490 Rm. Bedarf 685 Rm.
Auf Anordnung des Herrn Landrats ist die Meldung sofort, spatestens
bis 5.8.1945 bei der Kreisbaumeisterstelle in Siglingen einzureichen, abgeschickt
am 5. September 1945, nach Siglingen
Verletzte
Mehrere Personen wurden leicht verletzt. Einige Personen erlitten eine
Rauchvergiftung.
Frieda Britsch aus Mannheim hat bei einem Granateinschlag 3 Finger
der rechten Hand verloren.
Gebäudeschäden
Von 247 Wohnungen wurden total zerstört 81 =33%
bis zu 75 % beschädigt 7
bis zu 50 % beschädigt 44
bis zu 20 % beschädigt 49
so daß 181 Wohnungen, das sind 73 % ganz oder teilweise zerstört
sind.
Von 214 Scheunen sind 128 = 60 %, von 177 Stallungen 80 = 45% völlig
vernichtet.
Kriegsgefangene
Etwa 2 bis 3 Dutzend Kriegsgefangene, vorwiegend Franzosen und Polen,
arbeiteten in Brettach bis 1945 in der Landwirtschaft. Im allgemeinen waren
sie arbeitswillig und freundlich und hatten einen guten Kontakt zu der
Zivilbevölkerung. Nur von einem Zwischenfall wird berichtet. Im Dez.41
zündete ein polnischer Kriegsgefangener die Scheune seiner Bauersleute
an und erhängte sich in dem brennenden Gebäude. Das Motiv für
seine Tat war wohl Heimweh. Bei den Leuten, bei denen er untergebracht
war, ging es ihm jedenfalls sehr gut.
Während und nach dem Zusammenbruch haben sich die Kriegsgefangenen
geradezu freundschaftlich verhalten. Viele haben beim Löschen geholfen.
Von einem weiß man z.B., daß er den bunkerähnlichen Unterstand,
in dem sich Hausrat und Wertsachen "seiner" Familie befanden, während
des Angriffs und der Abwesenheit der Familie bewacht hat.
Einige der Kriegsgefangenen waren im alten Rathaus (Kelter) untergebracht.
Sie wurden jeden Morgen von einem Beauftragten abgeholt und zu ihren Bauern
gebracht, abends führte man sie wieder in ihr gemeinsames Quartier
zurück.
Brettacher Soldaten, die gefallen sind
Karl Müller
Emil Müller
Otto Müller
Hermann Scheuerle
Hermann Reinhardt
Rudolf Engelhardt
Karl Blind
Hermann Krebs
Karl Hettenbach
Paul Hettenbach
Christian Scheuerle
Hermann Schenk
Adolf Herrmann
Hermann Ehnle
Alfred Kronmüller
Heinrich Böhringer
Gottlob Böhringer
Eugen Schäfter
Paul Schäfter
Otto Pfisterer
Wilhelm Simpfendörfer
Gerd Waffenschmid
Helmut Müller
Hermann Schwarz
Alfred Ehmann
Gottfried Böhringer
Adolf Scholl |
Wilhelm Ehmann
Eugen Hubmann
Hermann Sailer
Hermann Mayer
Werner Wörbach
Hermann Schwaderer
Hermann Belz
Walter Groß
Gottlob Welz
Erich Engelhardt
Wilhelm Engelhardt
Otto Hinderer
Wilhelm Ehnle
Christian Senghas
Gottlob Müller
Gottlob Schäfter
Gustav Gebhardt
Gottlob Groß
Heiner Knorr
Christian Welz
Walter Welz |
Vermißt sind
Rudolf Volpp
Jakob Vossler
Richard Pfisterer
Hans Weber
Klaus Weber
Hermann Britsch
Friedrich Krebs
Karl Engelhardt
Gustav Ehnle
Hermann Schock
Karl Reinmann
Paul Simpfendörfer
Paul Baier
Albert Kuttruff
Gerhard Ehmann
Karl Wörbach
Willi Ehmann
Willi Albrecht
Wilhelm Welz
Richard Welz
Hermann Ehmann
Walter Simpfendörfer
Immanuel Böhringer
Hermann Albrecht
Adolf Ehnle
Wilhelm Brecht |
Vergessen sollen auch die nicht sein, die jahrelang in Gefangenschaft
waren. Im Jahre 1949 kehrten die letzten Brettacher Kriegsgefangenen aus
Rußland zurück.
Hilfe von außen, Notunterkünfte
Die nachfolgend genannten Beispiele der Hilfe sollen exemplarisch sein.
Nachbarschaftshilfe und die Hilfe von außen bis hin zu den Care-Paketaktionen
waren angesichts der Zerstörung Ansporn, wieder von vorne zu beginnen.
Im Kirchengemeinderatsprotokoll steht folgendes zu lesen: "Einen Betrag
von 3.075,- RM, eine Gabe der Nachbargemeinde Langenbeutingen, soll als
erste Hilfe verteilt werden. Der KGR nimmt mit herzlichem Dank die in der
Gemeinde Langenbeutingen gesammelte Summe von 3.075 RM als erste Nothilfe
an und beschließt: a) Am kommenden Sonntag soll in der Kirche bekanntgegeben
werden, die dringend Bedürftigen mögen im Laufe der Woche einen
Antrag auf Unterstützung bei einem der KGR-Mitglieder stellen. b)
Der KGR wird daraufhin über die Auszahlung des Geldes bestimmen. Zu
gleicher Zeit nimmt der KGR mit lebhaftem Dank Kenntnis, daß auf
die Initiative von Brettacher Kindern, die in Korntal wohnen, daselbst
Kleider, Wäsche und Bettzeug zugunsten unserer Gemeinde gesammelt
wurden. Sobald die Sachen nach hier transportiert werden können, wird
der KGR die Art der Verteilung bestimmen. Die Sammlung wartet noch auf
die Möglichkeit des Abtransports."
Schutt abräumen - alles, was Räder hat
Unmittelbar nachdem sich die Betroffenen vom ersten Schock erholt hatten,
begannen sie mit dem Abräumen des Schutts. Alles, was Räder und
alles, was Kraft zum Ziehen hatte, wurde zum Trümmerräumen eingesetzt.
Der Schutt wurde rings ums Dorf in Löcher und Hohlwege gekarrt.
Hinter der neuen Schule führte der ursprungliche Fahrweg, die
sogenannte "Alte Hohle", in Richtung Kochersteinsfeld. Sie war, bevor die
sogenannte "Neue Straße" Brettach mit der Öhringer Straße
verband, der Weg Brettachs in nördlicher und östlicher Richtung.
Diese "Alte Hohle" wurde z.B. ganz mit Brettacher Schutt eingeebnet.
Brief des Brettacher Bürgermeisters an den Landrat
Der Bürgermeister der Gemeinde Brettach an den Herrn Landrat des
Landkreises Heilbronn.
Brettach, den 4. Oktober 1945
Die Zahl der sich in der Gemeinde Brettach aufhaltenden entlassenen
deutschen Kriegsgefangenen, die nicht ortsansässig sind, beträgt
26.
Angehörige der Sowjet-Union befinden sich hier nicht.
Neuankömmlinge aus dem Osten befinden sich hier ein Mann u. eine
Frau bei beiden bisheriger Wohnort Danzig beide wollen in Brettach bleiben.
Der Ehemann stammt aus Brettach.
Ich bitte der hiesigen Gemeinde keine Rückwanderer u. Evakuierte
zuzuweisen, da die Gemeinde zu 70 % kriegsbeschädigt ist u. die Ortseinwohner
selbst Wohnungen hier suchen, da sie bei kalter Jahreszeit in den seitherigen
luftigen Raumen nicht bleiben können. Auch werden hier Ställe
für das Vieh gesucht, da das Vieh auch Schutz gegen Kälte u.
Regen benotigt. Weiteres Vieh kann unter keinen Umständen hier untergebracht
werden. Wir hoffen, daß die Evakuierten hier in andere Gemeinden,
die nicht so beschädigt sind, wie Brettach in Bälde untergebracht
werden u. bitten den Herrn Landrat uns hierbei zu helfen.
Der Bürgermeister der Gemeinde Brettach
an Herrn Abtl. Leiter Frisch, Umsiedler u. Betreuungsstelle
Betr.: Zahlen der Flüchtlinge u. Evakuierten.
|
Brettach, den
13. Okt. 1945 |
In der Gemeinde Brettach sind untergebracht:
Evakuierte aus Heilbronn
Evakuierte aus Stuttgart
Evakuierte aus Württemberg
Evakuierte aus Baden, Pfalz, Mosel
Evakuierte aus Hessen-Nassau, Düsseldorf, Essen, Hannover
Evakuierte aus Warthegau
Evakuierte aus Danzig
zusammen
Soldaten,die nicht nach Hause
zurückkehren können |
76
51
17
62
42
4
2
254
25
279 |
Weitere Personen können nicht mehr untergebracht werden, weil der
Ort Brettach zu 70 % fliegergeschädigt ist und viele Bauern hier keinen
geeigneten Aufenthaltsraum im Winter haben, weil die Wohnungen nicht heizbar
sind und zu viele in einem Raume zusammengepfercht leben, was zu vielen
Mißständen führt.
aus "Rückblicke" des Heimatgeschichtlichen Vereins Langenbrettach e.V. [Nr.23-24]
Verfasser: Herbert Schlegel;
Zeichnungen: Barbara Schlegel |