DER MÜHLENVERTRAG VOM JAHRE
1837
Etwa in der Zeit
um 1595 beschloß die Gemeinde Brettach, die alte baufällige
Mühle abzureißen, um an gleicher Stelle ein neues, großes
und repräsentatives Gebäude zu errichten. Die Zeiten waren günstig,
und wie aus einer kurzen Bemerkung in der Ortschronik hervorgeht, gab es
keinerlei Genehmigungsschwierigkeiten.
Es fällt auf, daß die
drei prächtigsten Gebäude ,die vor dem 19. Jahrhundert in Brettach
erstellt wurden, nämlich das Chanofsky-Schlößle, das Lamm
und die Mühle, alle um das Jahr 1600 erbaut wurden. Vielleicht war
an allen drei Bauwerken derselbe Baumeister tätig, einige Indizien
sprechen für diese Vermutung.
Im Jahr 1600 begannen die Bauarbeiten
an der neuen Mühle. Wahrscheinlich hatte die alte Mühle ein Untergeschoß
aus Stein, auf dem Fachwerk aufgesetzt war. Die neue Mühle wurde nun
ganz massiv in Stein errichtet, die Fassade, vor allem die Giebel, wurden
mit Renaissancezierelementen aus Brettacher Schilfsandstein gestaltet.
Die geschwungenen Ortgangsteine des Südostgiebels tragen Obeliske,
und ganz oben steht über der typischen Renaissancemuschel ein Löwe,
der eine Steintafel hält. Auf der Spitze des Nordwestgiebels sitzt
ein steinernes Mühlrad. Das rundbogige Eingangsportal zum Mühlenraum
ist mit renaissanceverziertem Sandstein umfaßt. Das am Wehr abgezweigte
Brettachwasser lief nun durch einen neuen Mühlenkanal und trieb drei
unterschlächtige Mühlräder.
Erst in jüngster Zeit hat man
zwei dieser drei Mühlräder entfernt und das eine übriggebliebene
große Wasserrad versorgte bis 1962 die Mühle und zwei Gleichstromgeneratoren
mit Energie, um schließlich einer Turbine Platz zu machen.
Die Brettacher
Dorfmühle war 235 Jahre lang, bis 1837, Eigentum der Gemeinde. Für
8 100 Gulden hat sie in besagtem Jahr Georg Nikolaus Simpfendörfer
(1792 - 1864), "Bürger und Gemeinderat dahier", erworben.
Um den Verkauf kursierten in Brettach
früher viele Geschichten.
Ein Beispiel:
Bei der Versteigerung sollen die
Brettacher Bürger sehr überrascht gewesen sein als sich "d'r
Niklas" als Käufer meldete. "Woher will denn der das viele Geld haben?",
fragte man sich. Georg Nikolaus Simpfendörfer soll zusammen mit seiner
Frau (1782 - 1805 ), einer verwitweten Schumacher und geborenen Eberlen,
und seinen zwei Töchtern in einfachen Verhältnissen gelebt haben. Beim
Mühlenverkauf soll der Nikolaus wortlos, aber verschmitzt lächelnd
nach Hause gegangen sein, um einen prall gefüllten, großen Strumpf
zu holen, in dem die Geldstücke für den Mühlenkauf steckten.
Die Brettacher staunten und schüttelten den Kopf und rätselten
noch lange darüber, woher der Nikolaus Simpfendörfer das viele
Geld hatte. Der Neid war wohl eine Triebfeder dafür, daß nun
allerlei Gerüchte und abergläubische Geschichten im Flecken die
Runde machten.
Das alles focht den neuen Besitzer
nicht an. Mit Fleiß und Besonnenheit führte er die Mühle
erfolgreich weiter, wie 20 Jahre später, also 1857, der Chronist Franz
Häfelin berichtet: "Simpfendörfer ist auch jetzt noch im
Besitz der genannten Realitäten mit der Zugehör und erfreut sich
eines guten Ertrags".
Daß der Nikolaus Simpfendörfer
sachlich, realitätsbezogen, aber auch pfiffig war, zeigt folgende
Erzählung aus dem Volksmund über ihn:
Als seine beiden
Töchter ins heiratsfähige Alter kamen, wurde er einmal gehänselt,
weil die beiden Hübschen klein gewachsen waren. Er lachte nur und
sagte: "Wenn ich die auf ein Säckchen Geld stelle, sind die genauso
groß wie andere Mädchen."
Im Jahr 1806 heiratete seine Tochter
Louise Christiane den Rotgerbermeister Christian Ludwig Herrmann aus Cleversulzbach.
In den folgenden Generationen führten dann jeweils die Söhne
Carl Ludwig (1852 - 1922), Carl Gustav ( 1887 - 1960) und Carl Friedrich
(1912-1977) den Mühlenbetrieb weiter. Auch die Gemeinderatstradition
setzten die Erben jeweils fort. Verpflichtung und Verantwortung für
die Gemeinde waren ihnen ebenso wichtig wie die Müllerei und die Landwirtschaft.
Aus der Vielfalt der Interessen sei nur das Engagement des jüngsten
der "Carl Herrmänner" erwähnt, nämlich sein Einsatz für
die Reinhaltung der Luft, indem er wesentlich dazu beigetragen hat, daß
in unserer Region keine Erdölraffinerie gebaut wurde. Und das zu einer
Zeit, als noch kaum jemand mit dem Wort Umweltschutz überhaupt etwas
anfangen konnte. Diese Haltung war natürlich auch aus einem anderen
Grund tief in der Familie verwurzelt: Alle Müller wollten die bäuerlich-ländliche
Struktur erhalten.
Aus der Ortschronik:
"1600, in diesem Jahr wurde jetzt
nachbestehende Mahlmühle von der Gemeinde zu bauen angefangen."
"1602, in diesem Jahr wurde die
von der hiesige Gemeinde im Jahr 1600 zu bauen angefangene Mahlmühle
vollends ausgebaut. Die Baukosten beliefen sich auf 2 776 Gulden."
Der Vertrag soll einige Einblicke
geben, wie in früheren Zeiten eine Mühle betrieben wurde. Spätere
Änderungen des Vertrags sind hier nicht berücksichtigt bzw. erwähnt.
KAUFVERTRAG von 1837
Gerichtlich erkannt, den 5.Oktober
1837.
Verhandelt, den 4. August 1837.
Die Gemeinde Brettach verkauft laut
Versteigerungsprotokoll vom 29. Apri1 1837 und nach einem hohen Ratifikationsdecret
der Königlichen Kreisregierung vom 4. Juli 1837 an Nikolaus Simpfendörfer,
Bürger und Bauer dahier.
Gebäu: Eine Mahlmühle,
so ganz Stein gebaut, mit 4 Mahl- und 1 Gerbgang, mit einem kleinen Stall
dabei an der Brettachbach unten im Dorf.
Daraus ist jährlich dem Cameralamt
zu reichen
Geld: 2 fln 2+ 2g
alten Hühnern: 2 Stück
jungen Hühnern: 24 Stück
sodann Roggen: 1 Scheffel 5 Simmre
ferner:
1 Würfel
6 Ruten Garten hinter der Mühlen, neben dem Mühlgraben und der
Brettachbach ,stößt sich oben gegen den Mühlwörth
zu und stößt unten auf die der Gemeinde zugehörigen Mühlwiesen.
(Im folgenden werden die gehörigen
landwirtschaftlichen Gebäude beschrieben. Die Längemaße
werden dabei in "Schuh" und die Himmelsrichtungen in "Abend" und "Morgen"
angegeben)
Der hölzerne Stock des alten
ursprünglichen Stallgebändes, sowie der ganze Dachstock gehört
zum Schulhaus.
(Das alte Brettacher Schulhaus befand
sich vor der Zerstörung von 1945 der Stelle des heutigen Gemeindehauses.
Schule und Schulmeister hatten das Recht im Dachstock des kleinen Stallgebäudes
der Mühle ihr Brennholz zu lagern).
Anmerkungen |
Cameralamt = |
Finanzamt |
fln = |
Gulden |
+ = |
Kreuzer |
g = |
Groschen |
Simre oder Simmere = |
hölzernes Messgefäß für Getreide mit einem eisernen Querbügel |
Gült = |
auf dem Anwesen lastende Naturalabgabe. Die auf der Mühle lastende Gült mußte alljährlich
an Martini bezahlt werden. Um 1850 wurde die Mühlengült endgültig
abgelöst und durch Steuern ersetzt. |
Gerbgang = |
Mühlengang, bei dem die noch nicht "nackten" Getreidesorten wie Dinkel und Hafer geschält
wurden |
Losungsrecht = |
Vorkaufsrecht |
Accis = |
Steuer, Abgabe |
MAHLMÜHLE
KAUFVERTRAG betreffend alles zusammen für 8 100 f (achttausendeinhundert
Gulden) unter folgenden Bedingungen:
-
werden sämtliche
Verkaufsgegenstände mit allen darauf haftenden, Rechten, Gerechtigkeiten
und Beschwerden ... an den Käufer abgetreten.
-
Der Kaufschilling
ist auf folgende Art zu bezahlen: 1/3 bar nach erfolgter Ratifikation des
Verkaufs, und die übrigen 2/3 vom 1. Juli 1837 an mit 3% verzinslich
in drei Jahreszielern und zwar auf den 1. Juli 1838, 1839 und 1840. Diese
3 Zieler dürfen gegen den Willen der Gemeinde nicht vor der Verfallzeit
bezahlt werden.
-
hat der Käufer
die Steuern und andern Abgaben, Gülten, Zinsen, die Gewerbesteuer
und dergleichen vom 1. Juli 1837 an zu bezahlen.
-
... Unterpfandsrecht ...
-
hat der Käufer und künftige Besitzer der Mühle lediglich seine Ansprüche
auf Bau-, Brenn- und Nutzholz zur Mühle von der Gemeinde zu machen.
-
hat der Käufer und künftige Besitzer der Mühle die Verbindlichkeit im Winter
die Mahlstube für die Mahlkunden zu heizen.
-
das von der hiesigen
Gemeinde ausgeübte Bannrecht fällt vom Tag der Verkaufssatifikation
an weg und bleibt für immer aufgehoben, jedoch in dem Fall nicht,
wenn die Gemeinde, es sei früher oder später wieder in den Besitz
der Mühle kommen sollte.
-
das Milter betreffend:
so darf er von allen rauhen Früchten, als von Dinkel und Einkorn etc.,
den 16. Teil oder das 16., Simre fordern und nehmen, und ist er von allen
glatten Früchten, ohne Ausnahme, wann sie auf die Mühle geschüttet
und gegerbt werden, den 16. Teil zu nehmen berechtigt; ebenso ist er berechtigt,
von allem in die Mühle gebrachten Weizen der zu Mehl gemahlen wird,
er mag gegerbt werden oder nicht den 16., Teil als Milter zu nehmen. Von
allen glatten Früchten hingegen, mit Ausnahme des Weizens die in die
Mühle gebracht, aber nicht gegerbt, sondern nur gemahlen ünd
geschroten werden - als von Roggen, Kernen, Gersten, Haber, Ackerbohnen,
Wicken, Welschkorn und dergleichen - darf er nur die Hälfte, nämlich
nur den 32. Tei1 nehmen. Jedoch ist diese Bestimmung nur für die hiesigen
Ortsangehörigen, welche ihren gesetzlichen Wohnsitz hier haben anwendbar.
Die Behandlung der Auswärtigen bezüglich des Milters ist dem
Müller überlassen, der denselben in seinem eigenen Interesse,
um eine Kundschaft zu erhalten, nicht zu viel Milter abnehmen wird.
-
die beim Gerben zurückbleibenden
Spitzen, die Spreuer und Kleien bleiben dem Eigentümer, und der Müller
hat keine Ansprache darum zu machen.
-
behält sich
die Gemeinde das Recht des jährlichen Schafschwemmens im Mühlgraben
vom Mühlwörth bis zür Mühle sowohl für jetzt als
für die folgenden Zeiten ungestört und unentgeltlich bevor, macht
sich aber verbindlich, den fraglichen Mühlgraben vor der Schwemme
wie bisher auf Gemeindekosten oder in der Fron vom Schlamm zu säubern.
Ebenso muß auch der Käufer den zwischen dem Mühlwörth
ünd Mühlküchengraben befindlichen Platz, der bisher zum
Hinstellen der
Schafe zur Zeit der Schwemme benutzt
wurde, auch fernerhin zur Zeit der Schafschwemme einräumen und darf
hiefür unter keinem Titel Entschädigung fordern und ansprechen.
Der dort befindliche Fußweg geht übrigens vom Tag der Verkaufsratifikation
an ein.
-
die Mühlgerätschaften
... werden dem.Käufer in den Kauf gegeben.
-
wird zwar gerne gesehen
werden, wenn der Mühlkäufer, unbeschadet des übrigen Mahlwerks,
andere Werke z.H. eine Hanfreibe, Öl-, Gips- oder Sägmühle
usw. errichtet. Aber es muß die Mühle auch fortan als Mahlmühle
bestehen, und es muß der Käufer ein für allemal neben einem
Gerbgang drei Mahlgänge erhalten und fortführen.
-
hat der Mühlkäufer
das sämtliche Mauerwerk .. ob- und unterhalb der Mühlen ... auf
seine eigenen Lasten zu unterhalten.
-
steht der Gemeinde
beim späteren Verkauf ein Losungsrecht zu.
-
braucht der Käufer
kein Fuhrwerk zu halten indem die Mahlkunden ihre Früchte selbst in
die Mühle bringen.
-
wird der der Gemeinde
zügehörige obere Teil des Stallgebäudes, welches dem Schulmeister
zur Benutzung eingeräumt ist, samt dem Dach von der Gemeinde erhalten....
-
die Mühle mit
ihren Zugehörigkeiten ist sorgfältig versteint ...
-
hat ein künftiger
Mühlenbesitzer die hiesige Ortseinwohner beim Mahlen immer zuerst
und vor den auswärtigen zu berücksichtigen. Es besteht eine strenge
Ordnung beim Mahlen, wenn die Früchte in die Mühle kommen. Es
dürfen bei Strafe keine hiesigen Kunden anderen hiesigen Kunden vorgezogen
werden. Auch hat er sich streng nach den bestehenden Mühlgesetzen
zu richten.
-
hat ein Käufer
sämtliche Kaufskosten samt dem gesetzlichen Accis allein zu bezahlen.
-
ist der Kauf in Folge
eines vorliegenden hohen Ratifikationsdekrets der Königl. Regierung
des Neckarkreises vom 4. Juli 1837 sowie nach einem unter Zustimmung des
Bürgerausschusses gefaßten gemeinderätlichen Beschluß
vom 29. April 1837 keiner Veränderung unterworfen.
Käufer: Georg Nikolaus Simpfendörfer
Verkäuferin, in deren Namen
der Gemeinderat: A.W. Herrmann, Hochstetter, Kuttruff, Simpfendörfer,
Kuttruff, Simpfendörfer, Ehmann
Anmerkungen |
Bannrecht = |
die hiesigen Bauern
waren an die Brettacher Mühle gebunden. Mahlten sie auswärts,
so wurden sie bestraft. |
Milter = |
Lohn für den Müller
in Form von Getreide, das ihm zum Mahlen gebracht wurde (1/16 oder1/32).
Müllers Sprichwort: "Milter
und kehren, muß den Müller ernähren." |
aus "Rückblicke" des Heimatgeschichtlichen
Vereins, Langenbrettach e.V. [Nr. 13/14]
Verfasser: Herbert Schlegel, Kurt Simpfendörfer, Wolfgang Gebhard
Zeichnungen: Barbara Schlegel
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